Themenheft

„Befragungen am Nullpunkt“

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Befragungen am Nullpunkt: Unabhängige Kultur in Belarus zwischen Repression und Aufbruch (Literatur, bildende Kunst, Theater)

Die unabhängige belarussische Kultur hat seit den 1990er Jahren einige Wellen zwischen Repression und Aufbruch erlebt und ist heute, angesichts der seit den Protesten 2020 auf Hochtouren laufenden Repressionsmaschinerie, an einem nie gesehenen „Nullpunkt“ angekommen. Aufgrund der zahlreichen Schließungen, Verbote, Verhaftungen und erzwungenen Ausreisen zahlreicher Akteure aus Zivilgesellschaft, unabhängigen Medien und Kulturbetrieb, gleicht die belarussische Kultur nun, 2023 einer Ödnis. Doch im Inneren leben alte und neue Keime weiter – sei es in Aktivitäten in privaten Räumen, im Exil oder über neue „Partisanen-Taktiken“ des Überlebens. Dabei sind neue produktive Netzwerke im In- und Ausland entstanden. Seit Beginn des verheerenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ist es wichtiger denn je, auch die Entwicklung und Gegenwart der belarussischen unabhängigen Kultur, ihre Verflechtungen und Vielfältigkeit im Kontext aktueller politischer und gesellschaftlicher Umbrüche in den Blick zu nehmen.

Im Sommersemester 2021 stand unabhängige belarussische Kultur im Mittelpunkt einer an der Universität Leipzig und der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) online durchgeführten, vom German Marshall Fund und der Heinrich-Böll-Stiftung geförderten Veranstaltungsreihe mit sechs der wichtigsten und interessantesten Akteur:innen der unabhängigen Kulturszene in Belarus: Artur Klinau (Schriftsteller und Künstler), Michail Gulin (Künstler), Antanina Slabodchykava (Künstlerin), Zmicier Vishniou (Schriftsteller, Verleger, Künstler), Jura Dziwakoŭ (Künstler und Regisseur) und Iryna Herasimovich (Übersetzerin und Kulturmittlerin). Die eingeladenen Gäste führten in ihr Werk ein, diskutierten Fragen nach der Rolle und Wirkungskraft von Kunst und Kultur in einem repressiven Staat und reflektierten gemeinsam mit den Teilnehmer:innen die Herausforderungen für künstlerisches Schaffen in politischen Umbruchzeiten.

Aus dieser Reihe sind Vortrags- und Gesprächsmitschnitte hervorgegangen, die aufgrund ihrer Entstehungszeit (Mai bis Juli 2021) ein bedeutsames Archiv darstellen. In der Themenheft-Publikation werden auf Grundlage dieses Archivs in 13 Beiträgen unterschiedliche Gesichtspunkte der zeitgenössischen unabhängigen Kultur in Belarus in Form von Essays sowie in Gesprächen mit den Kunstschaffenden beleuchtet.

Im Sommersemester 2021 stand unabhängige belarussische Kultur im Mittelpunkt einer an der Universität Leipzig und der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) online durchgeführten, vom German Marshall Fund und der Heinrich-Böll-Stiftung geförderten Veranstaltungsreihe mit sechs der wichtigsten und interessantesten Akteur:innen der unabhängigen Kulturszene in Belarus: Artur Klinau (Schriftsteller und Künstler), Michail Gulin (Künstler), Antanina Slabodchykava (Künstlerin), Zmicier Vishniou (Schriftsteller, Verleger, Künstler), Jura Dziwakoŭ (Künstler und Regisseur) und Iryna Herasimovich (Übersetzerin und Kulturmittlerin). Die eingeladenen Gäste führten in ihr Werk ein, diskutierten Fragen nach der Rolle und Wirkungskraft von Kunst und Kultur in einem repressiven Staat und reflektierten gemeinsam mit den Teilnehmer:innen die Herausforderungen für künstlerisches Schaffen in politischen Umbruchzeiten.

Vor dem Hintergrund der seit dem Jahr 2020 in Belarus erzwungenen „Nullpunkt“-Situation und nicht zuletzt der Kriegssituation in der Ukraine seit Februar 2022 ergeben sich unterschiedliche gesellschaftsrelevante Fragen, die mit der Publikation thematisiert und bearbeitet werden: Muss künstlerisches Schaffen politisch sein bzw. ist jede Art von Kunst, die sich regierungskritisch artikuliert, Protestkunst? Was bedeutet die vorläufige Zerschlagung wichtiger Kulturorte und Nischen für die künstlerische und persönliche Existenz? Wie verändert sich der Zugang zum eigenen Schaffen im Exil? Welchen Einfluss kann und muss Kunstschaffen in den Nischen haben? Welche Ausprägungen, Themen und Existenzbedingungen waren in der unabhängigen belarusischen Kunst der letzten drei Jahrzehnte zu beobachten? Welche künstlerisch-kulturellen Verbindungen bestehen zwischen Belarus und der Ukraine?

Gefördert wird die Publikation vom German-Marshall-Fund sowie durch private Spenden. Die Publikation erscheint im Frühjahr 2023 auf dem Publikationsserver der Universität Leipzig (Qucosa).